Dr. Monique Stengel klärt über verschiedene Produkte auf

Neurodermitis – Dr. Monique Stengel informiert über Ursachen und Behandlung

Drei Prozent aller Erwachsenen leiden an Neurodermitis, bei Kindern ist die Zahl deutlich höher: Bis zu 20 Prozent leiden an der Hautkrankheit. Was man dagegen tun kann, wie man vorbeugt oder Beschwerden lindert, war Thema bei „Wir in Bayern“ am 16. März:

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Direktlink zur gesamten Sendung in der Mediathek des BR: https://www.br.de/mediathek/video/wir-in-bayern-16032020-hilfe-bei-neurodermitis…

Neurodermitis – Ursachen, Behandlung und Vorbeugung

Die Betroffenen leiden unter trockener, fürchterlich juckender Haut, die mit geröteten, nässenden Hautveränderungen übersät ist. Neurodermitis ist hierzulande die häufigste chronische Hautkrankheit.
Neurodermitis ist eine chronisch bestehende oder chronisch häufig wieder auftretende, nicht ansteckende Hauterkrankung. Sie geht meist mit einem sehr starken Juckreiz einher. Zum heutigen Zeitpunkt ist zwar eine Heilung leider noch nicht möglich, sie lässt sich aber durch viele Maßnahmen deutlich bessern.

Welche Symptome sind typisch?

Typisch ist in jedem Alter ein quälender Juckreiz, der sich beim Schwitzen verstärkt und eine Wollunverträglichkeit.
Je nach Lebensalter kommt es zu unterschiedlichen Hautveränderungen:

  • Säuglinge und Kleinkinder: meist nach dem 3. Lebensmonat auftretende, trockene und schuppige Hauterscheinungen (Ekzeme). Meist treten diese an den Streckseiten der Arme und Beine, häufig auch im Gesicht oder am Kopf (Milchschorf) auf. Manchmal zeigen sich auch nässende Hautveränderungen.
  • Schulkinder: häufig an den Beugeseiten (zum Beispiel Ellenbeugen, Kniebeugen) auftretende Ekzeme
  • Erwachsene: sowohl kleinflächige Ekzeme an den Lidern, im Nacken, im Intimbereich oder den Händen als auch großflächige Ekzeme bis hin zu den ganzen Körper betreffendes Ekzem (sogenannte Erythrodermie)
Dr. Stengel im Gespräch über Neurodermitis

Wodurch wird Neurodermitis verursacht?

Neurodermitis entsteht durch verschiedene genetische und umweltbedingte Faktoren.

Genetik: Das Risiko eines Kindes an Neurodermitis zu erkranken beträgt 50 Prozent, wenn ein Elternteil an Neurodermitis, Asthma oder Heuschnupfen leidet, und sogar 75 Prozent, wenn beide Eltern betroffen sind.

Störungen des Immunsystems: erhöhte Hauttrockenheit, eine Barrierestörung der Haut mit erhöhter Irritierbarkeit sowie eine erhöhte Anzahl an bestimmten krankheitsfördernden Immunzellen (TH2-Zellen)

Störung der Hautbarriere: durch Störungen in wichtigen Strukturproteinen der äußersten Hautschicht

Mikroorganismen: Die Haut von Patienten mit Neurodermitis ist häufig mit dem Bakterium Staphylococcus aureus besiedelt. Ist die Hautbarriere nicht intakt, kann dieses Bakterium in die Haut eindringen und bestimmte Stoffe (sogenannte Enterotoxine) produzieren, welche die Entzündungsreaktion verstärken. Vergleichbare, verstärkende Reaktionen können auch durch Viren oder Pilze hervorgerufen werden.

Weitere Faktoren: unter anderem Stress oder Schadstoffbelastungen

Hygiene-Hypothese: Es wird zudem vermutet, dass der Anstieg der Neurodermitis im Zusammenhang mit einer besseren Hygiene und einem höheren Lebensstandard steht. Ein Rückgang viraler oder bakterieller Infekte führt zu einer Abnahme bestimmter schützender Botenstoffe im Körper und zu einem Überwiegen der für Neurodermitis charakteristischen Immunantwort.

Wie wird die Hautkrankheit behandelt?

Bei leichteren Formen von Neurodermitis ist eine äußere Behandlung oft ausreichend. Bei schweren Formen erfolgt eine innere Therapie ergänzend zur äußeren Behandlung.

 

Äußere Behandlung

  • Basispflege: täglich die Haut mit rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Pflegecremes eincremen, damit ihre Schutzfunktion verbessert wird
  • Glukokortikoide(Kortison) werden seit 50 Jahren zur Behandlung von Neurodermitis eingesetzt. Sie lindern die Entzündung, sollten aber nur zeitlich befristet oder als Intervallbehandlung zum Einsatz kommen, da das Risiko besteht, dass die Haut dadurch dünner wird.
  • Calcineurin-Inhibitoren (z. B. Pimecrolimus, Tacrolimus) sind seit 2002 zur Therapie der Neurodermitis ab dem 2. Lebensjahr zugelassen und hemmen die Entzündung. Von Vorteil ist, dass sie auch bei langfristiger Anwendung die Haut nicht dünner machen. Im Anschluss an die Anfangstherapie kann eine sogenannte proaktive mehrmonatige (in der Regel zunächst dreimonatige) Nachbehandlung zweimal pro Woche an zuvor erkrankten Stellen empfohlen werden. Auf einen wirksamen Sonnenschutz sollte geachtet werden.
  • Kühle, feuchte Umschläge mit Schwarztee oder Eichenrindenextrakt (Gerbstoffe) schaffen im akuten Stadium bei nässenden Ekzemen zusätzlich Linderung. Damit die Haut nicht austrocknet, sollte zuerst eine wirkstoffhaltige Creme oder Pflegecreme auf die Haut aufgetragen werden.
  • Polidocanol hat eine lokal betäubende und juckreizstillende Wirkung.
  • Zink wirkt entzündungshemmend und kühlend.
  • Pflanzliche Ölzusätze: Gute Erfolge erzielen Patienten auch mit Nachtkerzenöl-Cremes.
  • Harnstoff (Urea) wirkt feuchtigkeitsspendend, kann allerdings auf akut entzündeter Haut brennen.
  • Badetherapie: Bei intakter Hautoberfläche ist Baden in kühlem, salzhaltigem Meerwasser gut. Danach abduschen und eincremen. Wasser mit Chlorzusatz sollte gemieden werden. Es trocknet stark aus.
  • Phototherapie (UV-Therapie) in der Hautklinik oder Hautarztpraxis.

 

Innere Behandlung

  • Kurzfristig: Glukokortikoide (Kortison) 
  • Antihistaminika gegen den Juckreiz

Welche Komplikationen möglich?

  • Bei Neurodermitis kann es aufgrund der gestörten Hautbarriere gehäuft zu schwer verlaufenden viralen oder bakteriellen Infektionen kommen, z. B. einer großflächigen Herpes-simplex-Infektion auf der Ekzemhaut mit Fieber, offenen Bläschen, schwerem Krankheitsgefühl und einer Lymphknotenschwellung.
  • Möglich ist auch das Auftreten von sehr vielen virusbedingten Dellwarzen auf der Ekzemhaut.
  • Eine weitere mögliche, schwere Komplikation ist ein den ganzen Körper betreffendes Ekzem.

Worauf sollten Patienten im Alltag achten?

Damit die Haut nicht austrocknet oder irritiert wird, sollten Sie auf folgende Faktoren achten:

  • Verzichten Sie auf häufiges und heißes Waschen der Haut.
  • Benutzen Sie keine gewöhnliche Seife. Handelsübliche Seife ist zu alkalisch und greift die ohnehin schon gestörte Hautbarriere an. Optimal sind bei Neurodermitis seifenfreie, rückfettende Waschlotionen.
  • Tragen Sie keine Kleidung aus Wolle und Cashmere unmittelbar auf der Haut. Besser: Atmungsaktive Kleidung aus locker gewebter Baumwolle oder Seide. Einen günstigen Einfluss auf die übermäßige Staphylokokken-Besiedlung der Neurodermitis Haut hat außerdem silberbeschichtete Kleidung.
  • Meiden Sie den Kontakt mit aggressiven Reinigungsmitteln.
  • Lassen Sie die Finger von Konservierungs- und Duftstoffe in Kosmetika.
  • Überheizen Sie Wohnräume nicht. Die Luftfeuchtigkeit sollte zudem möglichst erhöht werden.
  • Machen Sie keine Pauschaldiäten.
  • Meiden Sie relevante Allergene, z. B. bei Pollenallergie Pollenschutzfilter an den Fenstern anbringen; bei Hausstaubmilbenallergie Staubfänger (Gardinen, Teppiche, Plüschtiere) entfernen. Die Anwendung von Luftreinigern reduziert Allergene in Innenräumen.
  • Vermeiden Sie starke Lufttrockenheit oder extreme Kälte.
  • Gehen Sie Umweltgiften wie Tabakrauch oder Dieselabgasen aus dem Weg.

 

Tipp: Ein mehrwöchiger Aufenthalt im allergenarmen Reizklima wie im Hochgebirge über 1.500 Metern oder an der Hochsee (z. B. Borkum) ist sehr empfehlenswert.

Vorbeugung:

Vorbeugemaßnahmen bei bekannter Veranlagung zu Neurodermitis sind:

  • Säuglinge mindestens vier Monate voll stillen. Einführung von Beikost ab dem vierten Lebensmonat. Keine Verzögerung der Beikosteinführung aus Gründen der Allergieprävention und kein Meiden potenter Nahrungsmittel-Allergene wie Kuhmilch, Weizen oder Hühnerei.
  • Fischkonsum der Mutter in Schwangerschaft und Stillzeit sowie Fischkonsum von Kleinkindern im ersten Lebensjahr scheinen die Entwicklung von Neurodermitis beim Kind zu hemmen.
  • Probiotika (Nahrungsergänzungsmittel): Der günstige Effekt von Probiotika wird noch kontrovers diskutiert und aufgrund der unzureichenden Studienlage von manchen Ärzten abgelehnt.
  • Bei Risikokindern sollte auf das Halten von Katzen verzichtet werden. Hunde hingegen scheinen einen günstigen Effekt zu haben.
  • Hausstaubmilben meiden, d. h. keine Teppiche in Wohn- und Schlafräumen. Besser sind glatte, feucht wischbare Flächen.
  • Sauberes und kühles Schlafzimmer
  • Milbendichter Matratzenüberzug (Encasing) bei nachgewiesener Hausstaubmilbenallergie zur Milbenreduktion in Schlafzimmern
  • Nicht in Anwesenheit von Kindern rauchen.
  • Wohnräume von Schimmel sanieren. Schimmelpilzbelastung und Feuchtigkeit in Innenräumen scheinen das Neurodermitisrisiko zu erhöhen.